Lorry Crisis”: Dank Brexit in die Lebensmittelknappheit

Markt­kom­mentar KW 37 | 2021

US-Notgroschen für die Wirtschaft

Leere Regale auf der Insel: Wer zur­zeit in Groß­bri­tan­nien Lebens­mittel ein­kaufen geht, findet vie­ler­orts nur ein begrenztes Angebot vor. Wich­tige Grund­nah­rungs­mittel wie Brot, Milch oder Fleisch sind rar geworden. Zu ver­danken ist die Ver­sor­gungs­krise – Über­ra­schung! – dem Brexit. Das Aus­scheiden aus dem EU-Bin­nen­markt führt in vielen Wirt­schafts­zweigen zu Per­so­nalnot. Mitt­ler­weile sind über eine Mil­lionen Stellen unbe­setzt. Neben dem Arbeits­kräf­te­mangel bei der Ernte und im Pfle­ge­be­reich fehlt es vor allem an Men­schen, die für Nach­schub in den Super­märkten sorgen: LKW-Fahrer:innen. Experten warnen, dass bei lang­fris­tigen Lie­fer­eng­pässen die Preise (und folg­lich auch die bereits ohnehin schon stark anzie­henden Infla­ti­ons­raten) steigen könnten. Well done, Boris!

Auch an anderen Ecken hakt es in Great Bri­tain: Auf­grund des erhöhten büro­kra­ti­schen Auf­wandes ver­lieren viele Han­dels­part­ner­schaften zu EU-Län­dern bereits an Bedeu­tung. Laut Sta­tis­ti­schem Bun­desamt könnte Groß­bri­tan­nien in diesem Jahr zum ersten Mal seit über 70 Jahren aus den Top Ten der wich­tigsten deut­schen Han­dels­partner rut­schen. Hierfür ist vor allem der Rück­gang deut­scher Importe aus dem Insel­staat (-11% im ersten Halb­jahr 2021) ver­ant­wort­lich. Zudem wird die bri­ti­sche Wirt­schaft durch die Wie­der­ein­füh­rung von Zöllen auf EU-Importe stark belastet. So errech­nete die Wirt­schafts­prü­fung UHY Hacker Young, dass bri­ti­sche Unter­nehmen und Verbraucher:innen etwa 2,58 Mil­li­arden Euro an Zoll­ge­bühren bezahlt haben. Dies ent­spricht einem Anstieg von 42%. Frag­lich, ob die dama­ligen Befürworter:innen des Brexit-Refe­rendum wei­terhin zu ihrer Ent­schei­dung stehen.

Das Lehman-Dé­jà-vu?

Wäh­rend­dessen kommen im Reich der Mitte Ängste vor einer dro­henden Schul­den­krise auf. Aus­löser ist der in Zah­lungsnot gera­tene Immo­bi­li­en­kon­zern Ever­g­rande. Nachdem das Unter­nehmen, das auf einem ange­häuften Schul­den­berg von USD 300 Mil­li­arden sitzt, Zins­zah­lungen nicht frist­ge­recht bedienen konnte, stuften Rating­agen­turen die Bonität des Unter­neh­mens herab. Infol­ge­dessen geriet der Akti­en­kurs des Kon­zerns stark unter Druck und verlor in dieser Woche zwei­stellig. Seit Jah­res­be­ginn sank der Wert sogar um mehr als 75%. Zudem wurde der Handel mit Ever­g­rande-Anleihen zeit­weise ausgesetzt.

Ret­tung scheint nur noch vom chi­ne­si­schen Staat kommen zu können. Jedoch macht sich an den Märkten Skepsis breit, ob Peking im Falle einer Insol­venz auch ein­springen wird. Grund ist der rigo­rose Regu­lie­rungs­kurs der Regie­rung gegen Teile der eigenen Wild-West(Ost)-Wirtschaft, um sie wieder auf Kurs zu bringen. Falls an Ever­g­rande ein Exempel sta­tu­iert werden sollte, wären die Aus­wir­kungen einer Pleite aller­dings unbe­re­chenbar. Ein unkon­trol­lierter Kol­laps könnte zu einem Immo­bi­li­en­crash führen, der wie­derum die Banken in Not bringen könnte. Diese Schock­wellen würden sich folg­lich nicht nur auf den chi­ne­si­schen Wirt­schafts­raum begrenzen lassen. Hier sollte der chi­ne­si­schen Regie­rung der Begriff Lehman-Pleite noch ein war­nendes Bei­spiel sein …

Zur Beach­tung: Frü­here Wert­ent­wick­lungen lassen nicht auf zukünf­tige Ren­diten schließen. Die in diesem Doku­ment ent­hal­tenen Infor­ma­tionen stellen keine Anla­ge­be­ra­tung dar, eine Haf­tung ist ausgeschlossen.