Die Liebe der Deutschen zum Bargeld
“Nur Bares ist Wahres!” gilt gemeinhin als der Nationalslogan der Bundesbürger. Zahlen mit Karte oder Smartphone? Nicht mit den Deutschen! Die Bundesrepublik gilt als Land der Barzahler, man hängt an Scheinen und Münzen. Besonders kleine Einkäufe werden nach wie vor gern bar abgewickelt. Kartenzahlungen nehmen zwar an Fahrt auf, aber ganz auf Bargeld zu verzichten, ist für die überwiegende Mehrheit der Deutschen keine Option. Warum tragen die deutschen Bürger nach wie vor durchschnittlich 107 Euro mit sich herum, während der Rest der Welt mit Karte zahlt?
Warum ist die Liebe so groß?
Die Hemmungen gegenüber Kreditkarte, Bankkarte und dem Bezahlen per Smartphone sind groß. Die Wahl des Zahlungsmittels hängt immer noch stark von Aspekten wie Verlustangst, einfache Handhabung und Wahrung der Privatsphäre ab. Und das kann eben aus Sicht der Deutschen keine Bankkarte besser, als es das Bargeld könnte. Laut einer Umfrage empfindet über die Hälfte der Bürger, 65 %, die bessere Ausgabekontrolle als großen Vorteil des Bargeldes. Einen 50-Euro-Schein gibt man eben doch nicht so schnell aus, wie die Karte gezückt ist. Für 43 % ist das Barzahlen aber auch schlichtweg die einfachere Methode. Ein gutes Drittel der Befragten hat beim Zahlen mit Scheinen und Münzen ein besseres Sicherheitsgefühl. Unternehmen sammeln nun mal mit den Karten persönliche Daten und Informationen über das Konsumverhalten der Kunden. Dabei ist auch das Bargeld keine hundertprozentig sichere Sache. Die Angst vor Dieben schreckt offenbar kaum ab.
Für einen kleinen Teil der Probanden ist das Merken des eigenen PINs ein Problem und andere gehen davon aus, dass das Bargeld im Einzelhandel eine stärkere Akzeptanz erfährt. Das ist vor allem bei kleinen Händlern, wie zum Beispiel Kiosk-Besitzern so. Da die Kartenzahlung für Händler immer mit Kosten verbunden ist, lohnt es sich wegen der geringen Margen oft nicht, Kartenzahlung anzubieten.
Geringer Anpassungsdruck
Was sich bei uns nach Zukunftsmusik anhört, ist andernorts längst zur Realität geworden. Diverse Länder zeigen es uns Deutschen schon lange, wie eine Welt aussehen kann, in der das Bargeld mehr und mehr in den Hintergrund rückt. Wer schon einmal solche Länder bereist hat, kann bestätigen, dass dort an jedem Kiosk, jeder Kaugummi mit Karte bezahlt werden kann. Zum Teil wird auch gar kein Bargeld angenommen — wie zum Beispiel in Skandinavien. Doch woran liegt das?
Vergleicht man Deutschland mit Skandinavien, zeigt sich, dass Deutschland deutlich dichter besiedelt ist. Das heißt konkret: für die Banken lohnt sich der breitgefächerte Einsatz kostspieliger Bankautomaten. Von denen gibt es in Deutschland rund 60.000 Stück. Somit ist der Weg zum nächsten Geldautomaten für die Deutschen nicht weit und häufig ohne Warteschlange verbunden. Das ist praktisch und vertraut, deswegen sehen viele keinen Grund, sich diesbezüglich umzustellen. Rund einmal in der Woche suchen die Bundesbürger im Schnitt einen Geldautomaten auf.
Bei den Skandinaviern sieht das Ganze anders aus. Sie haben meist sehr lange Wege zum nächsten Automaten. Folglich ist die Kartenzahlung für sie einfach bequemer. Aber nicht nur die langen Wege sind der Grund, auch die Banken selbst setzen sich mit diversen Marketingkampagnen mächtig ins Zeug, dieses Verhalten der Skandinavier zu bestärken. Sie haben ein Interesse daran, die Kunden für neue Zahlungsmöglichkeiten zu gewinnen und ihnen die klassischen Bezahlmethoden zu erschweren.
Verblasst die Liebe doch?
Bargeld ist in Deutschland noch längst nicht aus der Mode gekommen, aber die Scheu vor Kartenzahlungen und dem Bezahlen per Smartphone nimmt rasant ab. Letztes Jahr ging erstmals mehr Geld per Karte als bar über den Ladentisch. Es scheint so, als durchlebe Deutschland einen beginnenden Wandel.
Die EHI-Studie “Kartengestützte Zahlungssysteme im Einzelhandel 2019” kam zu dem Schluss, dass genau die Hälfte aller Forderungen an der Ladenkasse mit Scheinen und Münzen beglichen werden, der Rest in bar. Die Karte ist und bleibt dabei die beliebteste bargeldlose Bezahlmethode, wobei das Girocard-System die Kreditkarte deutlich dominiert. Hier zeigt sich, dass deutliche Gebührenreduzierungen beim Kartengebrauch ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Ob bar oder mit Karte gezahlt wird, hängt aber nach wie vor stark von der Summe ab. Tendenziell ist aber zu erkennen, dass auch für kleine Beträge immer häufiger die Karte genutzt wird. Das liegt vor allem an der Möglichkeit des kontaktlosen Bezahlens, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dies wiederum spornt Händler dazu an, wieder in ihre Zahlungsverkehr-Infrastruktur zu investieren, um am Erfolg des kontaktlosen Bezahlens zu partizipieren. Laut der Studie sank der Durchschnittsbetrag von Girocard-Zahlungen von 43,76 Euro auf 41,45 Euro, wohingegen er bei den Barzahlungen mit 14,34 Euro nahezu konstant blieb. Diese Verteilung gilt jedoch nur für die Anteile von Barzahlung oder Karte an den Umsätzen. Schaut man sich die Transaktionen an, also wie oft insgesamt mit Münzen und Scheinen bezahlt wurde, behält die Barzahlung ihre Vorreiterrolle. So wird in 60 % der Fälle bar gezahlt und nur 39 % begleichen die Forderungen mit der Karte.
Wo wird die Reise hingehen?
In Deutschland gibt es bisher keinen Grund, von einem abrupten Wechsel der Zahlungsmethode auszugehen. Die Entwicklung von Zahlen mit Bargeld hin zu alternativen Bezahlmöglichkeiten verläuft schleichend. Dennoch geht rund die Hälfte der Bevölkerung davon aus, dass Bargeld in Deutschland bald nicht mehr das dominierende Zahlungsmittel sein wird.
Verbraucherschützer fordern, dass Verbraucher auch weiterhin die Chance bekommen müssen, bar zahlen zu können. Schließlich sollte niemand dazu gezwungen werden, Datenspuren zu hinterlassen, wo es nicht unbedingt notwendig ist.
Wie steht ihr dazu? Wie viel Bargeld tragt ihr im Schnitt mit euch umher?
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