Falken vs. Tauben: Machtkampf in der EZB
Marktkommentar KW 36 | 2021
Erster vorsichtiger Tritt auf die Bremse: Die Europäische Zentralbank wird die Ankäufe im Rahmen ihres billionenschweren Anleihenkaufprogramms PEPP im vierten Quartal im Vergleich zu den beiden Vorquartalen moderat reduzieren. EZB-Chefin Lagarde vermied es allerdings von “Tapering” zu sprechen, sondern bezeichnete die Anpassung als “Rekalibrierung des Stimulus”. Die Reduzierung des Kaufvolumens soll dem jüngsten Inflationsanstieg und der konjunkturellen Erholung Rechnung tragen. Zudem soll der Trippelschritt wohl diejenigen innerhalb der EZB beruhigen, die eine strengere Geldpolitik befürworten – die sogenannten Falken. Die Tauben, die an der aktuellen Ausrichtung festhalten wollen, sind aber (noch) in der Überzahl. Diese müssen im internen Machtkampf der EZB wohl zunächst Federn lassen, bevor ein vollständiger Kurswechsel eingeläutet werden kann.
Das Vorhaben der Notenbanken, die Wirtschaft durch Hilfsgelder wieder in Gang zu bringen, scheint geglückt. Doch Geld scheint nicht das größte Problem: Die Liefer- und Materialengpässe bestehen nach wie vor. Die Verbraucher würden gerne Handys, Fahrräder und Co. kaufen. Allerdings fehlen die entsprechenden Lagerbestände, da Häfen geschlossen sind oder die Produktion von Bauteilen wie Chips nicht hinterherkommt. Die angekurbelte Nachfrage in Kombination mit dem aktuell niedrigen Angebot bilden eine fabelhafte Grundlage anhaltend hoher Inflationsraten. Laut Ifo-Institut haben 69,2% der befragten Industriebetriebe in Deutschland mit Engpässen zu kämpfen – Höchststand. Infolgedessen geben viele Unternehmen die gestiegenen Produktionskosten an ihre Kunden weiter. Prognose: Teure Weihnachtsgeschenke!
Wenn gute Nachrichten schlechte sind
Anders als in Europa, wird die Diskussion über ein baldiges Tapering in den USA schon deutlich konkreter, nachdem dort die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe mit 310.000 auf den niedrigsten Stand seit 18 Monaten gefallen sind. Diese vorrangig erfreuliche Nachricht führte an den Aktienmärkten hingegen nicht gerade zu ausgelassener Stimmung. Die Angst vor einem Abebben der Geldflut infolge eines Fed-Kurswechsels belasteten die US-Aktienindizes. Fällt jetzt der Tapering-Startschuss?
Stark unter Druck geriet diese Woche der Kryptomarkt, allen voran der Bitcoin. Nach der jüngsten Rallye gab die wichtigste Digitalwährung nach und verlor über 10% seines Wertes. Der Kursrutsch kam pünktlich zur Einführung als offizielle Währung in El Salvador. Im mittelamerikanischen Land verhinderten zudem technische Probleme einen reibungslosen Start des neuen Zahlungsmittels. Eine seriöse Staatswährung sieht anders aus …
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