Robo-Advisor Studie 2022:
Welches Verhältnis zwischen Risiko und Rendite bin ich bereit einzugehen?

Wer überlegt Geld per Robo-Advisor anzulegen, informiert sich in der Regel vorher darüber, welcher der Beste auf dem Markt ist. Natürlich spielen die Kosten dabei eine große Rolle, weswegen viele Anbieter mit Preisgünstigkeit und zugleich hohen Renditeversprechen werben. Der eigentliche Preis, der für eine hohe Rendite gezahlt wird, wird Anleger:innen meist allerdings nur unzureichend vermittelt. Rein wissenschaftlich betrachtet gibt es nämlich überhaupt keine Rendite. Es gibt nur Risiko und eine Kompensation für dieses eingegangene Risiko.
Manche Vergleichsportale, die die Wertentwicklung der Portfolios der verschiedenen Robo-Advisor abbilden, kalkulieren das eingegangene Risiko ein. Jedoch ist die konkrete Herangehensweise ungenau: Meist werden Risikokategorien vergeben, die entweder auf subjektiven Einschätzungen beruhen oder anhand der Höhe der Aktienquote definiert werden, was in der Regel nur eine sehr grobe Annäherung an das tatsächliche Risiko darstellt.
Das Vergleichsportal BrokerVergleich.com vergleicht zum Beispiel mehrere Anbieter und wählt bei allen eine moderat risikoaverse Strategie. Dennoch unterscheiden sich die Renditen erheblich. Das kann auf gute Asset Management-Methoden oder Erfolg bei der Titelselektion zurückzuführen sein, kann jedoch auch eine erhöhte Risikoprämie für mehr eingegangenes Risiko sein.
Um Anleger:innen klar aufzuzeigen, wie Risiko und Rendite zusammenhängen, muss Risiko quantifizierbar gemacht werden. Dafür gibt es in der EVERGREEN Robo-Advisor-Studie 2022 einen detaillierten Performance-Vergleich.

Zunächst ein paar Eckdaten zur Vorgehensweise: Die Daten, die für den Performance-Vergleich benutzt wurden, stammen aus Echtgeldtests der einzelnen Robo-Advisor von geldanlage-digital.de und broker-vergleich.de. Die Rendite wird durch die Jahresrendite approximiert. Bei der Berechnung des Risikos wurde für 2020 und 2021 unterschiedlich vorgegangen, da die Daten im Jahr 2020 auf die monatliche Rendite begrenzt waren. Im Jahr 2020 wurde das Risiko approximiert durch den Maximum Drawdown, die Differenz zwischen dem Hochpunkt und Tiefpunkt der Gesamtrendite im betrachteten Zeitraum. Für das Jahr 2021 wurde aufgrund der besseren Datelage die Volatilität berechnet. Das war mithilfe der wöchentlichen Renditen des Echtgeldtest von Geldanlage-digital möglich. Bei der Volatilität handelt es sich um die Standardabweichung der Stichprobe, d.h. die absolute Abweichung der Renditen vom Durchschnitt. Grundsätzlich ist die annualisierte Volatilität eine zuverlässigere Messgröße für das Risiko.
Folgende Werte kamen für 2020 heraus:
Aber wie kann basierend auf diesen Daten nun ein Vergleich aussehen? Sollte der Anbieter mit der höchsten Rendite gewählt werden? Oder der Anbieter mit dem geringsten Risiko? Oder lohnen sich Robo-Advisor überhaupt gar nicht?

Um die gemessenen Renditen in Relation zum eingegangenen Risiko zu betrachten, wird in der folgenden Abbildung die Jahresrendite auf der X‑Achse und der Maximum Drawdown auf der Y‑Achse abgebildet. Als Referenz werden zwei gängige ETFs und eine Cash Benchmark in die Abbildung eingefügt.

Anbieter, die oberhalb der Rendite-Drawdown-Referenzlinie liegen, bieten Kund:innen einen Mehrwert abseits einer einfachen Kombination von Cash und gängigen ETFs. Das sind in dieser Auswertung lediglich Evergreen und Vividam. Andere Robo-Advisor erzielten 2020 eine Jahresrendite unterhalb der hier betrachteten Marktrendite. Konkret heißt das, dass es für Anleger:innen im Jahr 2020 vorteilhafter gewesen wäre, eine Kombination aus zwei einfachen, marktbreiten Aktien- und Anleihen-ETFs zu wählen, als einen der hier untersuchten Robo-Advisor.
2021: Anders als im Jahr 2020 lässt sich anhand von Abbildung 16 erkennen, dass deutlich mehr Anbieter eine Kombination der gewählten Marktreferenzen schlagen konnten. Das hängt mit den besonderen Marktgegebenheiten im Jahr 2021 zusammen. Das Jahr 2020 war geprägt vom Corona Crash, das heißt von einem hohen Maximum Drawdown, und einer darauffolgenden Erholung. Das Jahr 2021 hingegen, war von einer Rally der Aktienmärkte geprägt.

Im Hinblick auf Risiko, ist das Jahr 2021 nicht ganz so interessant wie das vorherige. Die verschiedenen Anbieter und Strategien, die nach dem Echtgeldtest von Geldanlage-digital.de ein ähnliches Risikoprofil aufzeigen sollen, sind in diesem Jahr homogener. Im Vergleich zu 2020 gibt es deutlich weniger Ausreißer nach oben und nach unten. Es ist jedoch spannend zu untersuchen, wie stark verschiedenen Anbieter und Strategien am Anstieg der Aktienmärkte partizipieren konnten: Insbesondere passive Robo-Advisor haben in diesem Jahr sehr gut performt, während aktive Anbieter eher underperformt haben. Das liegt daran, dass sich die meisten passiven Anbieter an marktgewichteten Industriestaatenindizes orientieren, der sich im 2021 aufgrund seiner US- und technologielastigen Gewichtung besonders gut entwickelt hat.
No such thing as free lunch
Was bringen jetzt diese Berechnungen? Vor allem zeigen sie, dass eine Geldanlage nur fair sein kann, wenn greifbar gemacht wird, dass Rendite und Risiko unmittelbar zusammenhängen. Da Risiko keine definierte Messgröße ist, ist das nicht ganz einfach. Trotzdem gibt es – wie wir mit diesen Berechnungen aufzeigen — Wege und Möglichkeiten. Anbieter fairer Geldanlagenvergleiche, sollen sich dringend mit dem Thema befassen, um sinnvolle Rendite-Risiko-Profile zu erstellen. Ein Performancevergleich mit unzureichender Risikobeurteilung schadet mehr als er hilft!