Weltwirtschaftskrise 1929 vs. Coronakrise 2020
Die durch das Coronavirus bedingte Gesundheitskrise wird sich zu einer Wirtschaftskrise entwickeln. Das scheint mittlerweile unumgänglich zu sein. Fraglich bleibt, welches Ausmaß diese Krise annehmen wird.
Um mögliche Konsequenzen ein bisschen besser einschätzen zu können, hilft oftmals ein Blick in die Vergangenheit. Zuletzt haben wir die gegenwärtige Coronakrise mit der Finanzkrise aus dem Jahre 2008 verglichen. In diesem Artikel wollen wir noch ein Stück weiter zurückschauen: Zur Weltwirtschaftskrise 1929. Lassen sich zwischen der damaligen und der heutigen Krise Ähnlichkeiten feststellen? Können wir aus der Geschichte lernen und mit diesem Wissen die Folgen der Coronakrise eindämmen?
Wie alles begann
Im Gegenteil zur derzeitigen Krise, welche die reale Wirtschaft direkt getroffen hat, hat die Weltwirtschaftskrise von 1929 ihren Ursprung im Finanzsektor:
In den 1920er Jahren machte sich in den USA ein wirtschaftlicher Aufschwung breit: The golden Twenties. Große Firmen und Unternehmen begannen in dieser Zeit, an der Börse zu spekulieren. Auch dem Mittelstand ging es finanziell gut und aus der Hoffnung heraus aus diesem ‚gut‘ ein ‚sehr gut‘ zu machen, investierten deutlich mehr Kleinanleger in Aktien. Für alle unter ihnen, die etwas Starthilfe brauchten, vergaben Banken Kredite mit niedrigen Zinsen. Zum Teil auch sehr hohe Kredite.
Der US-amerikanische Aktienindex Dow Jones stieg zunächst stetig nach oben. Während er 1923 noch bei 100 Punkten lag, erreichte er im kommenden Jahr einen Stand von über 150 Punkten. Bis 1929 wurde der Index sogar auf bis zu 331 Punkte in die Höhe getrieben.
Black Thursday
Durch die zahlreichen unkontrollierten Investitionen in Aktien kam es zu einer Spekulationsblase. Der Aktienindex wuchs daraufhin nur noch sehr langsam. Viele Anleger wurden panisch und verkauften ihre Aktien so schnell wie möglich. Wenn es sein musste auch so günstig wie nötig.
Die Aktienkurse sanken rasch und rapide. Schließlich kam es am 24. Oktober 1929 zum Crash der New Yorker Börse. Ein Tag, der in die Geschichte einging. Der Black Thursday. Dieser ist zum Teil auch als Black Friday bekannt, vermutlich da die Neuigkeit Europa durch die Zeitverschiebung erst einen Tag später erreichte. An diesem Donnerstag kam es zu einem Gesamtverlust, aller an der Börse notierten Unternehmen, von 11 Milliarden US-Dollar. Obwohl der Index am nächsten Tag wieder etwas anstieg, fiel der Dow Jones am Montag, also am nächsten Handelstag, von 298 auf 260 Punkte.
Am Dienstag verlor der Dow-Jones-Index knapp 13 Prozent, was bisher den zweithöchsten Verlust in der Geschichte darstellt. In den darauffolgenden 3 Jahren sackte der Dow Jones, gemessen an seinem Höchststand, weiterhin um bis zu 89 Prozent ab.
Gleichermaßen ließ auch die derzeitige Krise den Dow-Jones-Index nicht unbeschadet. Im März 2020 zeichnete sich ein Verlust von insgesamt 26 Prozent ab.
Die damalige Finanzkrise entwickelte sich schnell zur Wirtschaftskrise: Insolvenzen, Massenarbeitslosigkeit, soziale Unruhen und politische Krisen standen an der Tagesordnung. Dadurch, dass die USA die Kredite zurücknahm, die sie vorher an Deutschland, Großbritannien oder Frankreich vergeben hatte, globalisierte sich die Krise schnell. Firmen, die auf diese Kredite angewiesen waren, gingen Konkurs. Die Arbeitslosigkeit stieg. Die Löhne, die Kaufkraft und die Produktion sanken. Die Weltwirtschaftskrise war im vollen Gange.
Sparen oder Nicht-Sparen
Als Reaktion auf die Krise wurde in Deutschland zunächst eine strikte Sparpolitik an den Tag gelegt. Kanzler Brünings Deflationspolitik war durch Haushaltssanierung, Kürzungen von Löhnen und Preissenkungen gekennzeichnet. Diese Politik bewirkte zwar schlussendlich, dass billige Güter produziert werden konnten, nichtsdestotrotz ließ sie die Arbeitslosigkeit weiter ansteigen. Gleichermaßen sanken Kaufkraft und Produktion.
In den USA stand zunächst Hoover vor der großen Frage, wie man mit der Krise umzugehen hatte. Letztendlich zeigte sich dieser Präsident als wenig tatkräftig. Sein Nachfolger Roosevelt verabschiedete schließlich zwei “New Deal”-Programme. Diese konzentrierten sich – grob zusammengefasst – auf eine Neuordnung des Bank- und Finanzwesens, Unterstützungen von Industrie und Landwirtschaft sowie Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit.
Auch wenn sich die Wirtschaft in den USA bis zum Kriegsbeginn wackelig zeigte, wird die Zeit der “New Deals”, in den Geschichtsbüchern, als eine hoffnungsvolle Ära erfasst.
Für Deutschland eröffnete die Weltwirtschaftskrise und die Verstärkung dieser durch extreme Sparpolitik ein düsteres Kapitel: Das Bedürfnis nach wirtschaftlicher Ordnung und Struktur ebnete den Weg für die NSDAP.
Klotzen statt Kleckern
Bei den meisten Menschen hat sich eingebrannt, dass restriktive Geldpolitik nicht die richtige Lösung für das Problem einer Wirtschaftskrise sein kann. Rückblickend schlussfolgern Ökonomen, dass eine Erhöhung staatlicher Ausgaben sowie Steuersenkungen einen schnelleren und weniger schmerzvollen Ausweg geboten hätten.
Auch das Handeln der Notenbanken wird retrospektiv als fehlerhaft verbucht. Durch die allgemeine Panik anheizt, kam es 1929 zu extremen Bankruns, bei welchen Anlegern ihre Einlagen möglichst schnell in Bargeld umtauschen wollen. Daraufhin hat die Fed eine restriktive Geldpolitik verfolgt, sie verknappte also das Geld. Anstelle der damals befürchteten Inflation, kam es grade durch die Beschränkung der Geldbasis durch z.B. weniger Kreditvergaben zur Deflation. Die Preise sanken und der Kapitalverkehr kam zum Stillstand. Bei der derzeitigen Krise schlägt die Fed bisher einen anderen Weg ein. Bisher möchte die Notenbank 300 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen, um Kreditflüsse zu unterstützen. Außerdem wurde der Leitzins auf Null abgesenkt.
Weiterhin lässt sich auf 1929 zurückblickend kritisieren, dass unter den Ländern keine Zusammenarbeit angestrebt wurde. Zollmauern wurden aufgebaut, die Ausfuhr von Waren angekurbelt, die Einfuhr klein gehalten. Um eine Wirtschaftskrise zu überwinden, darf man nicht auf Sparflamme schalten. Im Gegenteil.
2020 sieht die ganze Lage jedoch etwas komplizierter aus. Während 1929 “nur” ein negativer Nachfrageschock vorlag, muss nun das Problem eines negativen Nachfrageschocks, in Kombination mit einem negativen Angebotsschock, gelöst werden. Und das alles in Zeiten einer Pandemie mit Kontaktverbot und Ausgangssperren. Es kann und darf eben kaum angeboten werden, noch wird großartig nachgefragt. Lediglich auf der Seite der Nachfrage den Konsum anzuheizen, ist derzeit unmöglich.
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Der Weg aus der Krise
Nichtsdestotrotz scheint sich die Lehre, die die Menschheit aus der Weltwirtschaftskrise ziehen konnte, zu bewahrheiten. Wir sollten jetzt nicht sparen. Stattdessen müssen Gastronomien, der Einzelhandel, Kultureinrichtungen sowie die Flug- und Verkehrsbranche geschützt und finanziell unterstützt werden. Dasselbe gilt für Menschen, die ihre Berufe durch die Pandemie nicht ausüben können, ein geringes oder gar kein Einkommen haben.
Mittlerweile wurde in den USA beispielsweise ein Billionenschweres Hilfspaket auf den Weg gebracht, welches Unterstützung für Unternehmen, Konzerne, Krankenhäuser und Einzelpersonen beinhaltet. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat 50 Milliarden Euro Soforthilfe für Unternehmen locker gemacht. Zeitgleich entwirft das Bundesministerium für Gesundheit Gesetzespakete zur Unterstützung des Gesundheitswesens. Auch die Notenbanken senkten die Zinsen.
Corona-Bonds
Soweit so gut. Doch woher nehmen alle Staaten das ganze Geld, um sich diese gigantischen Hilfspakete zu leisten? Die Staatsverschuldung — grade von den besonders betroffenen Ländern — könnte dabei gewaltige Ausmaße annehmen. Aus diesem Grund forderten Staaten, wie Italien und Spanien, die EU bereits mehrfach zu mehr Solidarität auf. Diese könne zum Beispiel in Form von Corona-Bonds, also gemeinsamen Staatsanleihen, erfolgen. Die Idee dahinter ist, dass von den Regierungen der EU-Staaten gemeinsam Schulden aufgenommen werden, für die schlussendlich auch gemeinsam gehaftet wird. Dadurch wird verhindert, dass die Zinsen für Staatsanleihen, für besonders betroffene Länder, stark ansteigen.
Mit den Corona-Bonds könnte folglich vermieden werden, dass Staaten wie Italien oder Spanien, in eine Staatsschuldenkrise rutschen. Gleichermaßen könnte sich die Stabilität der Eurozone verfestigen, wovon auch die schwächer betroffenen, sowie die wohlhabenden EU-Länder, profitieren würden. Obwohl viele, auch sehr konservative Ökonomen, die Corona-Bonds befürworten, ist die deutsche Regierung weiterhin dagegen. Gründe dafür sind eine mögliche Gefährdung der Stabilität des Wirtschaftsraums, allgemein eine unsichere Rechtslage sowie die Befürchtung, von gemeinschaftlicher Verschuldung als Dauerinstrument. Alternativ spricht sich Angela Merkel für Kreditvergaben durch den ESM, den Europäischen Stabilitätsmechanismus, aus. Dieser hat insgesamt bis zu 410 Milliarden Euro für Kredite zur Verfügung. Immer eine begrenzte Summe, so heißt es.
Weiterhin sorgte auch die EZB für Aufregung. Die europäische Zentralbank kündigte ein Pandemie-Notfall-Kaufprogramm von 750 Milliarden Euro an, woraufhin Bedenken über mögliche Staatsfinanzierung durch die Währungshüter laut wurden.
Wie man es auch dreht und wendet: Auf lange Sicht wird vermehrt eine Schuldenkrise befürchtet, an welcher die Währungsunion zu Bruch gehen könnte.
Die Moral von der Geschicht’
Alles in einem scheint es, als könnten wir ein paar Lehren aus der Wirtschaftskrise 1929 ziehen und dieses Wissen nutzen, um Maßnahmen einzuleiten, die eine tiefe Rezession möglicherweise verhindern können — auch wenn es über diese Maßnahmen noch viele Streitigkeiten und Unklarheiten gibt.
Fakt ist und bleibt, dass die Wirtschaft erst dann wieder richtig laufen kann, wenn die Infektionen zurückgehen. Wann das sein wird, ist unklar. Sobald dieser Punkt jedoch erreicht ist, müssen wir uns vermutlich auf ein großes und langwieriges Wiederaufbauprogramm einstellen.
Wir bleiben zuversichtlich: Der Weg aus der Krise wird mit großer Wahrscheinlichkeit schwierig, aber machbar.
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