Robo-Advisor Studie 2022:
Mehr als ein schönes Interface? – Welchen Mehrwert bieten Robo-Advisor
Robo-Advisory: Eine Finanztechnologie, die mit künstlicher Intelligenz und wenig bis gar keinem menschlichen Eingriff, Dein optimales Portfolio für Deine Geldanlage ermitteln soll.
Sowohl das Konzept der Robo-Advisor, als auch der Sektor Finanztechnologie (FinTech), in dem ersteres entstanden ist, suggerieren eine Disruption der Finanzbranche. Der Begriffe wie „Robo-Advisor“ oder „FinTech“ deuten an durch den Einsatz von modernster Technologie einerseits menschliche Ressourcen einzusparen und andererseits die Wertschöpfungskette durch Technologie zu vereinfachen bzw. mehrere Aspekte dieser zu komprimieren.
In der EVERGREEN Robo-Adivsor Studie wurde festgestellt, dass es sich bei vielen Robo-Advisor nicht so verhält. Stattdessen stellen die meisten Robo-Advisor ein schönes, einfach zu bedienendes Interface dar, was zwar den menschlichen Bankberater ersetzt, sich ansonsten aber weiterhin als Zusatzbaustein vor die Wertschöpfungskette setzt. Wie genau, das funktioniert, erörtern wir in diesem Blog-Beitrag.
Die Wertschöpfungskette einer digitalen Geldanlage
Die Wertschöpfungskette einer Geldanlage besteht aus verschiedenen Parteien die für ihren Anteil entlohnt werden. Je mehr Parteien involviert sind, desto höher fallen in der Regel die Gesamtkosten für Kund:innen aus. Typischerweise ergeben sich die anfallenden Kosten entlang der Wertschöpfungskette aus folgenden Bausteinen: Servicegebühr, Depotgebühr, Fondskosten, Transaktionskosten und Spreads.

Eigenständig Investieren in ETFs
Beim eigenständigen Investieren in ETFs fallen zunächst Depotgebühren an. Ohne ein Depot ist eine Teilnahme am Wertpapierhandel nicht möglich und dessen Führung kostet natürlich Geld. Für Transaktionen in diesem Depot fallen weiterhin Gebühren an, die ein:e Anleger:in beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren an die depotführende Bank oder auch den Onlinebroker abführen muss. Beide diese Kostenbausteine sind in der Regel für Dich sichtbar und nachvollziehbar. Anders sieht es bei ETF-Spreads aus, dem Preisunterscheid zwischen dem Kauf- und Verkaufspreis. Der Spread fällt zusätzlich zu den bereits erwähnten Transaktionskosten an und wird vom jeweiligen Handelsplatz vereinnahmt. Wichtig ist hierbei, dass ohne Zugang zu Marktdaten und dem Vergleich von Geld- und Briefpreisen, Spreads in der Praxis kaum nachvollziehbar sind.
Als nächster Baustein in der Wertschöpfungskette fallen Fondskosten an. Fondskosten werden als TER angegeben, Total Expense Ratio, was Gesamtkostenquote bedeutet. Die TER fasst die jährlichen Gesamtkosten zusammen, die auf der Fondsebene anfallen, wie beispielsweise Verwaltungsgebühren, Managementgebühren, Werbe- und Vertriebsausgaben sowie Depotbankkosten. Mit der TER lassen sich Gebühren unterschiedlicher Fonds gut vergleichen,. Ein weiterer, für Kund:innen unsichtbarer, Kostenfaktor sind Transaktionskosten auf Fondsebene, wenn innerhalb eines Fonds Einzeltitel ge- und verkauft werden. Die Höhe der Transaktionskosten auf Fondsebene variiert je nach Depotbank. Als letztes in der Kette sind Einzeltitelspreads. Analog zu ETF Spreads, fallen Kosten in Form eines Spreads zwischen dem Kauf- und Verkaufspreis von Einzeltitel an. Auch diese sind nicht nachvollziehbar oder ersichtlich.
In passive ETF Robo-Advisor oder aktive Fonds
Über 75 % aller Robo-Advisor nutzen in ihren Asset Management Ansätzen ausschließlich fremd-gemanagte Fonds (entweder ETFs oder aktiv gemangte Fonds). Vergleicht man nun zum Beispiel die Wertschöpfungskette eines solchen Robo-Advisor mit der einer eigenständigen Investition, wird auffällig, dass dieser die Wertschöpfungskette noch um eine Komponente erweitert: Die Servicegebühr.
Sie enthält Kosten für Vermögensverwaltung, Reporting und Kundenservice. Eine Servicegebühr gibt es in expliziter Form nur bei Robo-Advisor. Sie ist demnach eine Zusatzgebühr und eine Erweiterung der Wertschöpfungskette. Um tatsächlichen Mehrwert zu generieren, müsste Dein Robo-Advisor diese Servicegebühr mit einer hinreichenden Performance ausgleichen. Dies kann sich insbesondere durch die Höhe der Servicegebühr, die die anderen Kostenkomponenten übertrifft, als äußerst schwierig erweisen.
Übrigens staffelt sich die Servicegebühr meist nach angelegtem Vermögen. Je mehr Geld Du anlegst, desto geringer ist die Pauschale. Da sowohl das Angebot als auch der Aufwand der Kundenverwaltung durch den hohen Grad an Automatisierung jedoch gleichbleiben sollte, gibt es für so eine Pauschale keinen anderen Grund als den Versuch, Kund:innen anzulocken, die sonst auf eine klassische Vermögensverwaltung setzen würden.

Mehr als ein Interface?
Jede Partei, die sich in der Wertschöpfungskette der digitalen Geldanlage befindet, möchte natürlich für ihren Anteil entlohnt werden. Und das nicht alle Aufgaben in der Wertschöpfungskette bei einer Instanz liegen, kann durchaus sinnvoll und auch notwendig sein, da zum Beispiel die Trennung von Verwahrstelle des Fonds und des Fondsanbieter Anleger:innen vor Veruntreuung schützt.
Man kann als positiv bewerten, dass Robo-Advisor durch ihre meist kleineren Mindestanlagesummen und ihre einfache Bedienbarkeit und Beratung viele Menschen anspricht, die vorher wenig Zugang zu Geldanlagen und privater Altersvorsorge hatten.
Trotzdem bieten die meisten Robo-Advisor, die ja eigentlich vereinfachen und komprimieren sollten, in keiner Weise eine Reduktion der Wertschöpfungskette. Sie machen sie länger und dementsprechend teurer.
Ein wichtiger Schritt für Robo-Advisor wäre die Kombination der Vermögensverwaltung mit dem digitalen Asset Management. Eine Kombination, die zwar unter strengerer Regulatorik läuft und eine finanzwissenschaftliche Expertise erfordert, aber einen wirklichen Mehrwert in Form von einerseits Kostensenkung und andererseits einer Individualisierung der Anlageprodukte an Kund:innen weitergeben würde. Ohne solche verbindenden Maßnahmen bleiben die meisten Robo-Advisor leider ein teures Interface.
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