Zertifikate — Die etwas andere Mogelpackung
Zertifikate gelten als besonders komplizierte Finanzprodukte, deren Anwendung in der Regel der Profi-Liga der Finanzbranche überlassen ist. Dass Komplexität nicht immer für Qualität steht, zeigte sich schnell. Insbesondere nach der letzten Finanzkrise 2008 standen die Wertpapiere bereits in sehr großer Kritik. Und trotzdem finden vermehrt Käufe dieser statt. Was steckt dahinter? Wir nehmen Zertifikate in diesem Beitrag genau unter die Lupe und zeigen die vielen Risiken am Beispiel des Volksbank Sommerzins 2019 auf.
Was sind Zertifikate?
Zunächst wäre die Frage zu klären, was Zertifikate überhaupt sind. Es handelt sich dabei um Wertpapiere, die von der Wertentwicklung eines bestimmten Basiswertes abhängen. Der Basiswert kann in diesem Fall alles Mögliche sein: Von Aktien, Anleihen, Indizes, Renten bis hin zum Wetter ist alles dabei.
Bemerkenswert ist, dass Zertifikate die Wertentwicklung des zugrundeliegenden Instruments nicht 1 zu 1 widerspiegeln müssen. Mit Hilfe von verschiedenen Konstruktionen kann so zum Beispiel auch von einer Entwicklung in die andere Richtung profitiert werden. Beispielsweise können Anleger mit Hilfe eines Reverse-Index-Zertifikats vom DAX durch eine negativen Wertentwicklung des Index‘ Erträge generieren.
Der Vorteil von Zertifikaten liegt also darin, dass eine Vielzahl von Anlagestrategien verfolgt werden kann. Mit diesem Finanzprodukt kann auf steigende, fallende oder auch auf seitwärts gehende Kurse von vielen verschiedenen Basiswerten gesetzt werden. Es können folglich äußerst komplizierte Anlagestrategien verfolgt werden. So viel zu den Vorteilen.
Neben dieser doch eher kläglichen Auswahl, weisen Zertifikate erhebliche Nachteile auf. Diese sind auf den ersten Blick meist nicht genau erkennbar, was insbesondere für Neu-Einsteiger in der Investment- und Finanzwelt gefährlich sein kann.
Ein Beispiel: Der Volksbank Sommerzins 2019
Die große Beliebtheit von Zertifikaten bei Käufern liegt primär wahrscheinlich daran, dass sich Kosten und Risiken in diesem Finanzprodukt unglaublich gut verstecken lassen. Um also zu zeigen, was ein Zertifikat wirklich hergibt (oder eben auch nicht) schauen wir uns einmal ein Beispiel an: Den Volksbank Sommerzins 2019.
Die Eckdaten zum Volksbank Sommerzins lauten folgendermaßen: Bei einem Einsatz von 1.000 Euro Kapital, beträgt die Ausschüttung 30 Euro pro Zahlungstermin. Die Zahlungstermine liegen dabei in der Regel ein Jahr auseinander. Als Käufer eines Zertifikates des „Volksbank Sommerzins 2019“ kassiert man folglich rein rechnerisch 3 Prozent Zinsen im Jahr ein.
Namen machen Produkte
Man kennt einen Zins von Anleihen oder eben als zuverlässig ausgeschüttetes Entgelt vom eigenen Sparbuch oder Festgeldkonto. Fühlt sich sicher an, ist es aber nicht.
Im Fall dieses Sommerzinses hat das Ganze allerdings rein gar nichts mit einer Anleihe oder einem Sparbuch zu tun. Im Gegenteil: Man investiert als Käufer in die Wertentwicklung des Aktienindex Euro Stoxx 50. Die Auszahlung des Zinses und auch die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals von unseren beispielhaften 1.000 Euro sind dabei von verschiedenen Bedingungen abhängig und eine Rückzahlung in keinem Fall garantiert.
Risiken und Nebenwirkungen
Wir haben zu dem Thema eine kleine Liste erstellt, mit allen Risiken und Nachteilen, die man beim Erwerben des Sommerzins 2019 eingeht oder in Kauf nimmt:
1. Das unausweichliche Risiko
Zunächst geht man quasi das “gewohnte” Risiko ein, das sich auf den zugrundeliegenden Basiswert bezieht. Wenn sich dieser in die entgegengesetzte Richtung, also jene, auf die nicht spekuliert wurde, bewegen sollte, verliert man schließlich zumindest einen Teil seines eingesetzten Kapitals.
2. Das Risiko einer Unterschreitung
Der Euro Stoxx 50 darf während der Laufzeit des Zertifikats – also bis 2023 — ein bestimmtes Niveau nicht unterschreiten. Sobald eine Unterschreitung doch vorfällt, wird das Zertifikat zu einem reinen Aktienmarktinvestment. Es hat mit Zinsen also überhaupt gar nichts mehr zu tun. Um einen sicheren Gewinn versprechen zu können, müsste man sich als Verkäufer darüber sicher sein, wie sich der Euro Stoxx über Jahre hinweg entwickelt. Ohne Glaskugel schlichtweg unmöglich.
3. Das Risiko einer frühzeitigen Zurückzahlung
Dazu kommt, dass die Emittenten unter bestimmten Voraussetzungen das Zertifikat auch frühzeitig zurückzahlen können. Das bedeutet, dass die Laufzeit automatisch endet. Als Käufer bekommt man somit keine regelmäßigen Auszahlungen mehr bis 2030, wie man es eigentlich erwartet hatte.
4. Das Risiko einer hohen Bepreisung
Ja, und was passiert eigentlich, wenn man früher an sein Geld heran muss als gedacht? Während der Laufzeit wird das Zertifikat von der ausgebenden Stelle gehandelt und im Zuge dessen eben auch dafür gesorgt, dass das Zertifikat handelbar bleibt. Die Bepreisung des Zertifikates nimmt die ausgebende Stelle dabei selbst vor. Man kann in diesem Fall davon ausgehen, dass man nicht den besten Preis bekommen wird.
5. Das Emittentenrisiko
Ein weiteres, zweites Risiko stellt das sogenannte Emittentenrisiko dar. Sollte derjenige, der das Zertifikat ausgibt, also z.B. die Bank, in der Laufzeit des verkauften Finanzprodukts pleite gehen, sieht man sein investiertes Geld – oder einen Teil dessen — nicht wieder. Auch wenn sich der Euro Stoxx 50 also gut entwickeln sollte, kann es immer noch sein, dass man als Zertifikat-Käufer mit leeren Händen da steht.
6. Das Risiko einer vorzeitigen Kündigung
Als “Ass im Ärmel” behält sich die ausgebende Stelle leider auch oft ein umfangreiches Änderungsrecht oder ein vorzeitiges Kündigungsrecht für solcherlei Zertifikate vor. Als Käufer sitzt man damit wieder einmal ganz klar am kürzeren Hebel. Die Investition läuft möglicherweise nur so lange, wie sie der Bank etwas nützt.
7. Keine Kostentransparenz
Die ausgeschriebenen Kosten und Provisionen spiegeln meist nur einen äußerst geringen Anteil der Erträge wider, die sich mit solchen Finanzprodukten tatsächlich erwirtschaften lassen. Zertifikate bestehen häufig aus undurchsichtigen und komplexen Optionsstrukturen. Über den Verkauf von Put oder Call Optionen kann der Konstrukteur hohe Prämieneinnahmen erzielen, wovon der eigentliche Besitzer jedoch nur einen sehr geringen Teil in Form eines Zertifikat-Zinses oder Zertifikat-Ertrages erhält. Zusätzlich wird dem Käufer dafür dann auch noch 1–2 Prozent Vertriebsprovision abgezogen.
Fazit: Faire Geldanlage geht anders
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich ein Zertifikat eigentlich nur für den Aussteller lohnt. Die dem Käufer versprochenen 30 Euro Rendite oder die 2 Prozent Zinsen sind, in Anbetracht der vielen Risiken und Nachteile, überhaupt nicht verhältnismäßig und zusätzlich nicht mal garantiert.
Wer nach einer fairen und sicheren Geldanlage sucht, sollte sich nach anderen Möglichkeiten umschauen. Mehr zu verschiedenen Anlagestrategien findest Du zum Beispiel hier.
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