Sind CO2-Kompensationen sinnvoll?
Die Urlaubssaison ist in vollem Gange und viele von uns reisen in andere Länder. Das wirkt sich allerdings negativ auf den eigenen ökologischen Fußabdruck aus: Egal ob mit dem Auto, dem Flugzeug oder dem Schiff – neben spannenden Erfahrungen bedeutet Reisen in der Regel leider auch einen hohen CO2-Ausstoß. Deshalb kompensieren immer mehr Menschen freiwillig ihre Emissionen. Doch wie sinnvoll sind diese Kompensationsstrategien? Ist ein Ausgleich wirklich realistisch? Und welche Möglichkeiten zur Kompensation gibt es?
Nach der Pandemie: Mehr Reisen denn je
Nachdem die Tourismusbranche und Urlauber:innen aufgrund der Corona-Pandemie zwei Jahre lang starke Einschnitte hinnehmen mussten, gibt es dieses Jahr deutlich weniger Einschränkungen. Bei vielen Menschen hat das die Reiselust verstärkt. Vor allem die Luftfahrtindustrie spricht von einer außerordentlichen Nachfrage. Flugreisen sind besonders umweltschädlich, das ist auch den meisten Urlauber:innen bewusst. Daher entscheiden sich immer mehr Menschen dafür, ihre Emissionen zu kompensieren. Und auch Unternehmen können ihren CO2-Ausstoß ausgleichen. Doch nicht nur Reisen belastet das Klima, sondern auch ein hoher Stromverbrauch, ineffizientes Heizen und Fleischkonsum tragen zum Klimawandel bei.
Doch wie funktioniert die CO2-Kompensation genau?
Die Idee dahinter ist simpel: Wer Emissionen verursacht, der finanziert zum Ausgleich Klimaschutzprojekte, die an anderer Stelle die gleiche Menge CO2 einsparen sollen. Dieses Prinzip geht davon aus, dass es irrelevant ist, wo auf der Welt Treibhausgase ausgestoßen und wo sie vermieden werden.
Planst Du also zum Beispiel eine Flugreise, dann findest Du online mehrere Anbieter, die für Dich anhand verschiedener Parameter berechnen, welche Menge CO2 dabei entsteht. Für diese Menge wird anschließend ein Geldwert berechnet, durch dessen Bezahlung Du Projekte unterstützt, die die gleiche Menge CO2 einsparen. Das können zum Beispiel Konzepte zur Entwicklung lokaler Lieferketten sein, die Aufforstung von Wäldern oder die Förderung von E‑Mobilität. Es gibt auch Initiativen, die den Ausbau von Solarstrom, Wasserkraft oder Biogas fördern, um Treibhausgase langfristig zu reduzieren. Außerdem gibt es Projekte, bei denen mithilfe von Mooren CO2 aus der Atmosphäre gebunden wird.
Probleme bei der Kompensation von Emissionen
Doch so vielversprechend das Konzept der Kompensation in der Theorie klingt, bringt es dennoch einige Probleme mit sich. Zum einen funktioniert die Ausgleichsrechnung leider nur in der Theorie. Denn während die CO2 Emissionen bei der Reise mit Flugzeug, Auto oder Co. tatsächlich in der Atmosphäre landen, ist nicht endgültig klar, ob das unterstütze Klimaschutzprojekt auch wirklich wie geplant umgesetzt werden kann oder den gewünschten Effekt mit sich bringen wird. Beispielsweise besteht die Gefahr, dass gepflanzte Bäume nicht richtig angehen, in Folge von Dürrephasen absterben oder dass soziale Initiativen im Zuge von Wirtschaftskrisen scheitern.
Weiterhin ist es problematisch, dass viele der geförderten Klimaschutzprojekte in Ländern des globalen Südens stattfinden, die teils noch streng autokratisch regiert werden. Daher ist immer eine genaue Prüfung wichtig, in welche Projekte das Geld fließt. Kommt wirklich 100 Prozent bei den Menschen vor Ort an und trägt zu deren Lebensverbesserung bei oder besteht die Gefahr, dass die Investitionen direkt oder indirekt fragliche Regime unterstützen?
Außerdem spiegelt der Preis der Kompensation nicht den Schaden wider, der durch die Treibhausgase in der Atmosphäre langfristig verursacht wird. Unter Berücksichtigung aller Schäden, die durch die Zunahme von Wetterextremen und Folgen des Klimawandels wie Ernteausfällen oder Wertverlusten von Gebäuden und Infrastrukturen entstehen, hat das Umweltbundesamt einen Preis von 698 Euro pro Tonne Kohlendioxid berechnet und empfiehlt daher aktuell die Verwendung eines Kostensatzes von 201 Euro pro Tonne CO2. Kompensationen hingegen kosten aktuell je nach Anbieter lediglich zwischen 5 und 50 Euro pro Tonne.
Für Unternehmen sind die Preise meist noch günstiger als für Privatpersonen, denn die Anbieter von CO2-Kompensationen konkurrieren damit um die Unternehmen und diese werden im Zweifel den Anbieter wählen, der den günstigsten Preis hat.
Weniger Konsumieren, anstatt Kompensieren
Ein weiteres Problem beim Kompensieren ist, dass es für manche Menschen oder Unternehmen eine Legitimation ihres klimaschädlichen Verhaltens darstellen könnte. Ganz getreu dem Motto: ‚Meine Klimasünden sind okay, solange ich kompensiere‘. Das dürfte besonders auf Unternehmen zutreffen, da Studienergebnisse belegt haben, dass im privaten Bereich besonders die Menschen kompensieren, die sich auch sonst für Klimaschutz einsetzen und klimabewusst konsumieren.
Für das Klima wäre es am besten, wenn wir gar nicht erst konsumieren würden, anstatt im Anschluss fleißig zu kompensieren. Für effektiven Klimaschutz ist daher ein Wandel des Lebensstils dringend nötig. Doch da CO2-Kompensationen in der Regel recht günstig zu erwerben sind, ist der Anreiz für Privatpersonen oder Unternehmen, ihr Verhalten zu ändern und ihre Emissionen zu reduzieren, eher gering.
CO2 kompensieren ist besser als nicht kompensieren
Trotz aller Bedenken muss anerkannt werden, dass eine Menge der geförderten Klimaschutzprojekte ohne Ausgleichszahlungen niemals hätten umgesetzt werden können. Es ist also auf jeden Fall als positiv einzuordnen, wenn sich mehr Menschen dazu entschließen, ihre unvermeidbaren Emissionen zu kompensieren.
Allerdings kann Kompensation immer nur eine Schadensbegrenzung sein, nicht die einzige Lösung. Daher sollte vor der Kompensation immer die Reduktion des eigenen CO2 Ausstoßes stehen. Ansonsten verfestigt sich das Bild, dass sich der globale Norden aus der Verantwortung für sein klimaschädliches Verhalten freikauft.
Die Einhaltung des 2°C Ziels kann nur mit einer Verringerung der weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis 2050 von mindestens 80 % gegenüber 1990 gewährleistet werden. Das ist allein mit Kompensationen nicht möglich. Sie können daher lediglich einen Baustein für notwendigen CO2-Einsparungen darstellen.
Das bedeutet, dass jede und jeder von uns sich immer wieder fragen sollte: Wo kann ich Emissionen einsparen und wie kann ich mein Verhalten generell ändern, damit ich weniger CO2 verbrauche? Beispielsweise kann statt eines Flugs in das Urlaubsland eine Bahnreise geplant werden. Das gleiche gilt auch für Unternehmen, die ihre Emissionen beispielsweise durch eine optimierte Energieeffizienz reduzieren können.
Außerdem sollte man sich vor der Kompensation von Emissionen genau informieren, in welche Projekte ein Anbieter investiert und wem das Geld zugutekommt. Kritisch zu hinterfragen sind hier insbesondere die Anbieter, die mit besonders günstigen Preisen locken.
Erfahre in diesem Artikel, was EVERGREEN zu einem klimaneutralen Unternehmen macht: Unser NET ZERO Versprechen.
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