Psy­cho­lo­gi­sche Fall­stricke beim Anlegen

Die Tur­bu­lenzen der aktu­ellen Markt­si­tua­tion löst Unsi­cher­heit aus und das ist nach­voll­ziehbar: Fast alle Geld­an­lagen haben in den letzten Monaten an Wert ver­loren. Im Super­markt käme bei einem sol­chen Preis­ver­fall defi­nitiv Schnäpp­chen­stim­mung auf. Bei 20 bis 30% Rabatt greift man gerne zu. Aber warum scheint das bei der Geld­an­lage nicht der Fall zu sein? Günstig ein­kaufen und später zu hohen Kursen wieder ver­kaufen ist doch der Traum eines jeden Inves­tie­renden. Trotzdem bekommen viele Sparer:innen kalte Füße, wenn sie sehen, dass der Wert in ihrem Depot sinkt. Viele Anleger:innen haben den Impuls, ihren Spar­plan aus­zu­setzten, um wei­tere Ver­luste zu ver­meiden. Dabei ist es sinn­voller, den eigenen Spar­plan wei­ter­zu­führen oder sogar die Spar­rate zu erhöhen. Das liegt am Cost Average Effekt. Warum agieren viele Men­schen im Bezug auf Kapi­tal­an­lage ganz anders als im Supermarkt?

Um auch in schwa­chen Markt­phasen am Ball zu bleiben und nicht über­eilt abzu­springen, musst Du ein paar Denk­fallen über­winden. Denn es gibt psy­cho­lo­gi­sche Mecha­nismen, die alle Investor:innen beein­flussen. Diese waren früher mal über­le­bens­not­wendig und es ist also gar nicht schlimm, wenn wir solche Impulse bei uns bemerken. Das Wissen dar­über kann uns aber helfen, in schwie­rigen Phasen ruhig zu bleiben und keine Schnell­schüsse zu machen. Wenn Du diese ver­stehst, wird es Dir viel leichter fallen, lang­fristig beim Inves­tieren dabeizubleiben.

Psy­cho­lo­gi­sche Effekte beim Inves­tieren: Verlustaversion

Bei der Ver­lust­aver­sion steht nicht das Gewinn­streben im Vor­der­grund, son­dern das Ver­meiden von Ver­lusten. Denn Ver­luste oder auch andere nega­tive Erleb­nisse wiegen sub­jektiv schwerer als Gewinne oder posi­tive Erleb­nisse. Ver­luste werden also inten­siver erlebt als gleich große Gewinne. Dieser Nega­ti­vi­täts-Bias war evo­lu­tionär wichtig, um sich von poten­ziell gefähr­li­chen Situa­tionen fern­zu­halten und zu überleben. 

Ver­lust­aver­sion beein­flusst das Risi­ko­ver­halten in Ent­schei­dungs­si­tua­tionen: Men­schen, die beson­ders Ver­lust­avers sind, sind eher risi­ko­scheu und sicher­heits­ori­en­tiert. Sie könnten schneller dazu ten­dieren, bei Flauten auf dem Markt von ihrer Anla­ge­stra­tegie abzu­wei­chen. Fal­lende Kurse ver­ur­sa­chen bei ihnen echte Schmerzen und irgend­wann möchten sie ein­fach nur noch ver­kaufen. Aus dem geplanten Anla­ge­zeit­raum von 10 oder 20 Jahren werden dann manchmal nur wenige Wochen.

Lang­fristig inves­tieren: Ver­meide den Mitläufereffekt

Beim Band­wagon- oder Mit­läu­fer­ef­fekt geht es darum, dass Men­schen dem Her­den­trieb folgen, also dort dabei sein wollen, wo auch alle anderen sind. Das nennt man auch FOMO, also Fear of missing out. Damit ist die Angst gemeint, etwas zu ver­passen. Sie sehen sich einem Kon­for­mi­täts­druck gegen­über Men­schen aus­ge­setzt, mit denen sie sich iden­ti­fi­zieren. Es ent­steht ein Kon­sens über Ver­hal­tens­weisen, zum Bei­spiel am Aktienmarkt.

Das kann pas­sieren, wenn man beginnt, sich mit Finanzen zu befassen und sich in Folge dessen ver­mehrt mit anderen Anleger:innen beschäf­tigt. Es ent­steht das Bedürfnis, zu ihnen dazu­ge­hören zu wollen. Dadurch ten­diert man eher dazu, Ent­schei­dungen zu treffen, weil andere auch so gehan­delt haben, ohne die Ent­schei­dung kri­tisch zu hin­ter­fragen. Andere Investor:innen werden also imi­tiert. Beim Mit­läu­fer­ef­fekt liegt der Fokus also stark im Außen, auf dem Ver­halten des Umfelds und die eigene Mei­nung ist durch die Mei­nungen anderer beein­flussbar. So konnte es pas­sieren, dass ver­un­si­chernde Nach­richten aus der Finanz­welt auf Grund der Pan­demie Anfang 2020 Panik­ver­käufe ver­ur­sachten. Diese Nach­richten hatten einen höheren Ein­fluss auf das Anle­ge­ver­halten als die Ein­schät­zung von Expert:innen. Das gleiche gilt auch für Nach­richten, die die Kurse stei­genden lassen. Denn je mehr Men­schen inves­tieren, umso mehr steigen die Kurse. Das wie­derum führt zu Fomo und noch mehr Men­schen inves­tieren, aus Angst, etwas zu verpassen.

Eine intel­li­gente Invest­ment­stra­tegie ist so struk­tu­riert, das sie lang­fristig zum Erfolg führt. Das die Kurse kurz­fristig immer wieder steigen und fallen, hat dabei wenig Relevanz.

Selbst­über­schät­zung durch den Rückschaufehler

Ein wei­terer Effekt ist der Hind­sight Bias oder Rück­schau­fehler. Men­schen haben die Ten­denz, getrof­fene Vor­her­sagen retro­spektiv umzu­deuten. Einst getrof­fene Aus­sagen werden nach­träg­lich an den tat­säch­li­chen Aus­gang von Ereig­nissen ange­passt und der Erfolg einer rich­tigen Vor­her­sage wird sich selbst zuge­schrieben, nach dem Motto: „Hab ich doch gewusst, dass das pas­sieren wird“.

Als Kon­se­quenz des Rück­schau­feh­lers kommt es zu einer Kon­troll­il­lu­sion, die zu  einer Selbst­über­schät­zung der eigenen Pro­gnosen und Unter­schät­zung von Risiken führt. Gewinne werden eher dem eigenen Können und Ver­luste externen Fak­toren zuge­schrieben. Außerdem kann es zu Kurz­sich­tig­keit bei der Suche nach und Ana­lyse von mög­li­chen Kau­sa­li­täten für bestimmte Ereig­nisse kommen.

Die his­to­ri­sche Ent­wick­lung einer Aktie oder eines Fonds glei­chen einer Ach­ter­bahn. Im Nach­hinein scheint es ein­fach: In den Tälern wäre man ein­ge­stiegen und ganz oben hätte man ver­kauft. Aktuell befinden wir uns in einem Tal, doch warum machen so viele Men­schen das Gegen­teil von dem, was sich später als genialer Zeit­punkt für einen Ein­stieg her­aus­stellen sollte?

Ruhig­bleiben in kri­sen­haften Marktphasen

Alle drei psy­cho­lo­gi­schen Fak­toren haben oft eine kata­stro­phale Aus­wir­kung auf den tat­säch­li­chen Anla­ge­er­folgt. Im Her­den­trieb gefangen wird zu Höchhst­kursen inves­tiert und panisch ver­kauft, wenn es mal nach­nunten geht, obwohl doch eigent­lich gerade Schnäpp­chen­stim­mung herr­schen sollte.

Was hilft, ist Dis­zi­plin. Zukünf­tige Markt­ent­wick­lungen lassen sich nicht vor­her­sagen und in schlechten Phasen kann das durchaus beängs­ti­gend sein, da nicht abschätzbar ist, wie weit sich der Kurs noch nach unten bewegen wird.  Fakt ist, dass Kurse immer schwanken werden und damit muss man sich abfinden, wenn man sein Geld lang­fristig anlegen möchte.  Bei lang­fris­tigen Geld­an­lagen spielt das jedoch durch den langen Anla­ge­zeit­raum keine Rolle. Hier heißt es tat­säch­lich viel mehr: Zurück­lehnen, Ruhe bewahren und ein­fach nichts tun. Machst Du Dir die genannten psy­cho­lo­gi­schen Effekten immer wieder bewusst, wird Dir das in Zukunft bestimmt leichter fallen.